Samstag , 20 April 2024
Startseite | Allgemein | Gedanken über das Reisen, sich selbst und den nebligen Himmel

Gedanken über das Reisen, sich selbst und den nebligen Himmel


Wenn das alte Jahr langsam in die letzte Runde kommt und das neue vor der Türe steht, ist es an der Zeit ein Resümee zu ziehen – aus dem, was geschehen ist. Und es ist auch an der Zeit sich auf das Neue vorzubereiten. Und wenn das Neue dann da ist, kommen zuerst die Vorsätze und ein paar Wochen später wieder die Routine – wie eben jetzt.

guy-girl-grenada

Grenada: Gegrillte Maiskolbenverkäuferin an einer Straßenecke

Erst kürzlich las ich auf einer Website über alte Riten in den 12 Rauhnächten. Diese beginnen in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember und enden mit jener vom 5. auf den 6. Januar. Das Interessante daran war, dass in diesen Gebräuchen – wie immer man dazu auch stehen mag – die Beschäftigung mit dem eigenen Selbst im Vordergrund stand. Diese reichen vom in sich selbst hineinhören, dem Loslassen alter Denkmuster, der Besinnung auf die wesentlichen Dinge wie etwa Freundschaft, der Vorbereitung und Öffnung auf das, was kommt und schließlich die Reinigung. Auch wenn das in den Ohren mancher absurd klingen mag, so sind wir – Menschen der Industrieländer – allzu oft abgelenkt durch seichte Unterhaltung und einer gewissen Wurschtigkeit über unser eigenes Dasein. Wir kennen uns nicht, nehmen uns nicht die Zeit dazu, uns mit uns selbst und unseren echten Bedürfnissen zu beschäftigen. Die Folgen sind leider gravierend. Die immer größere Zahl an Burn-Out-Patienten ist nur eine davon. Als ich letztens nach drei Monaten intensiver Arbeit mit einem Bekannten sprach und sagte, dass ich gerade viel um die Ohren hätte, meinte dieser: „Du musst aufpassen, dass Du kein Burn-Out bekommst.“ Dabei sprach der gute Mann zwar voller Besorgnis, aber auch voller Unwissenheit über dieses oft gehörte Wort. Bei einem  „Burn-Out“ handelt es sich um eine Art der Depression – allerdings in einer etwas schickeren zeitgemäßeren Formulierung (wenn ich das einmal spitz formuliere). Es ist eine tiefe Form des Ausgebranntseins – und als Folge davon ein Gefühl der Ausweglosigkeit, der Sinnlosigkeit des Lebens. Natürlich tragen unglückliche Arbeitssituationen und Lebensbeziehungen einen Anteil an dieser Erkrankung. Die Saat setzen wir allerdings mit unserer lieblosen Einstellung zu uns selbst. Wir sind nicht achtsam mit uns und unseren Gefühlen. Ersatzbefriedigungen wie Alkohol, Drogen und Sex täuschen uns quasi über unsere wirklichen Bedürfnisse hinweg. Das 21. Jahrhundert hat uns nicht freier gemacht, sondern uns – ganz im Gegenteil – noch weiter und mehr versklavt. Denn was zu tun ist, verraten uns Hochglanzmagazine, TV und Internet.

St. Maarten - B747

Blöd, wenn das Leben einem davonfliegt. (Sint Maarten Airport -startender KLM-Jumbo

Die Einsamkeit mit uns selbst

 

Ich mag keine All-Inclusive-Hotels, weil ich keinen brauche, der mir sagen muss, was ich wann wie tun soll….und schon gar nicht im Urlaub. Doch gerade diese Art unserer Freizeitbetätigung bringt es auf den Punkt: Wir können nur sehr schwer mit uns ganz alleine sein. Neulich erzählte ich einen Bekannten davon, dass ich im August 16 Tage lang mit einem Auto allein durch Namibia gefahren bin. Er folgte meinen Ausführungen nicht, sondern ‚krallte’ sich an dieser meinigen  „Wahnsinnsidee“ fest, dass ich dies alleine gemacht habe. Das sei leichtsinnig und dumm. Als ich nachfragte, bemerkte ich, dass es aber nicht um diesen Punkt ging, sondern vielmehr darüber, dass diese Einsamkeit des Alleinreisens, Angst bei ihm hervorrief. Solche Menschen treffe ich immer wieder. Sie blicken mich mit einer Mischung aus „der arme Tropf muss alleine verreisen“ bis hin zu „also ich würde das nie machen!“ an. Zugegebenermaßen war das auch bei mir ein Lernprozess, der schon einiges abverlangte. Das begann schon beim Allein-Essen in einem Restaurant und endete bei den 3.000 km allein durch Namibia. Es sind immer wieder Herausforderungen – auch für mich. Nur kann ich heute hier eingestehen, dass ich auf all diesen Reisen nie alleine war. Ich traf viele großartige Menschen. Am meisten fürchtete ich mich vor der Antarktis-Kreuzfahrt im Vorjahr, da ja diese Art von Reisen sehr ‚zweisamkeitsbetont’ sind. Gerade auf dieser Reise traf ich unglaublich liebenswerte Freunde mit denen ich heute noch in Kontakt stehe. Das Großartigste am Allein-Reisen war aber meine Selbstfindung. Sie hat mich reifen lassen. Auch wenn es manchmal Situationen gegeben hat, die nicht angenehm waren – so erforderten diese ein hundertprozentiges Einlassen auf das Leben und sie forderten ein tiefes  Vertrauen. So absurd es klingen mag, aber aus dieser Einsamkeit wuchs ein Gefühl der Sicherheit. Das Unbehagen ist längst verschwunden.

 

Reise als Selbstfindung

sri-lanka-beachparty

Beach-Party in Sri Lanka.

Ich habe das ganz oft erlebt, dass ich alleine verreist bin und in Wirklichkeit nie allein war -wie schon vorhin gesagt. Ja, damit meine ich jetzt nicht, dass ich mir jemanden ‚aufgerissen’ habe. Nein, das interessiert mich nicht wirklich. Was ich meine ist, dass ich viele Menschen getroffen habe, die sich mit mir ausgetauscht haben, mich vielleicht sogar auf ein Essen oder ein Getränk eingeladen haben und mit mir über Gott und die Welt geredet haben. Durch diese großartigen Menschen habe ich in vielen Ländern und Orten einen völlig neuen Zugang gefunden, der weit über das „Sehenswürdigkeiten anschauen“ hinausgegangen ist. In Wirklichkeit sind das die wahren Abenteuer gewesen – und diese will ich nicht vermissen.

Auf all diesen Reisen habe ich Tagebücher geschrieben und meine Gedanken, aber auch die Begegnungen schriftlich festgehalten. Jedes Mal, wenn ich diese Bücher aus meinem Regal hole und darin lese, kann ich diese Situationen nachfühlen. Aus einigen zufälligen Bekanntschaften sind Freundschaften geworden…..aus anderen nicht. Was mir aber sehr auf dem Herzen liegt und mich sehr glücklich macht, ist, dass mich diese Begegnungen in meinem Leben weitergebracht haben. Und auch hier schließt sich dieser Kreis wieder damit, dass jede dieser Reisen eine wesentliche Rolle bei meiner Selbstfindung gespielt haben.

scheisswetter

Scheißwetter! Höchste Zeit abzuhauen (Frankfurt Airport im Dezember)

Der Blog als Aufforderung sich die Welt genauer anzusehen

grenada.offduty

Karibik abseits der Strandklischees: Ruine eines alten Kolonialhauses

Andre Heller sagte mal, dass die wahren Abenteuer im Kopf sind, und sind sie nicht da, dann sind sie nirgendwo. Abenteuer kann ich nicht nur in Afrika oder in Asien, sondern auch in der nächsten Quergasse erleben. Wer Willens ist, einen Blick um die nächste Ecke zu werfen, wird da das Abenteuer entdecken – lautet die freie Übersetzung eines chinesischen Sprichworts. Und da kommt jetzt dieser Blog, den es seit eineinhalb Jahren gibt, ins Spiel: Ich möchte meinen Lesern den Blick schärfen – den Blick dafür, zu sehen, was es alles gibt – nicht nur in der Ferne, sondern auch in der Umgebung. Ich sehe mich nicht als der, der anderen erklärt, was sie wo alles anschauen müssen oder sollen. Dazu gibt es genügend Reiseführer und andere Blogs. Ich möchte Blicke ermöglichen und Ideen geben, was es wo gibt….von einem Sommersonnenuntergang bis hin zum Regen.

grenada-pic

Heftiger Regen auf der Karibikinsel Grenada

Einmal hat sich ein Auftraggeber bei mir beschwert, weil ich von irgendeiner Destination kein „blaues Himmelbild“ aufzuweisen hatte, dafür aber zwei, wo der Nebel mit den Wolken ein schönes Bild malt. Ich war erstaunt über diese Kritik. Wer anderen vorgaukelt, dass immer nur die Sonne scheint, zeichnet ein Trugbild, eine Illusion. Dass auch in einer anderen Stimmung trotzdem Stimmung aufkommt, dazu erfordert es ein gewisses Maß an Kreativität – und genau um das geht es. Es ist keine Kreativität in der Karibik oder in Ostafrika Wienerschnitzel zu fordern. Vielmehr ist es anmaßend. Es ist aber kreativ, wenn man etwas Neues ausprobiert, was man vorher noch nicht gekannt hat. Tourismus verkauft vielfach nur die Illusion. Das ist meines Erachtens falsch. Wer wegfährt und am Zielort wieder nur das konsumiert, was er zuhause auch konsumiert, hat keine Chance etwas dazu zu lernen (oder nimmt sie nicht wahr). Ich habe es selbst mitbekommen, wie Reisende aus einer Kleingruppe sich geweigert haben, einen Nachmittag ohne Guide in einer fremden Stadt in Asien herumzulaufen. Sie haben viel lieber ihren freien Nachmittag am Hotelpool verbracht. Die Angst vor dem Neuen und Unbekannten war wohl zu groß. Ich war schließlich der einzige, der diesen halben Tag allein durch die Stadt gelaufen ist. Diese Liste solcher Erlebnisse ließe sich fast unendlich fortsetzen. Mitverantwortung an der hartnäckigen Weigerung sich mit einem fremden Land und fremden Menschen auseinanderzusetzen tragen auch die Reiseveranstalter und vor allem die weltweit agierenden Tourismuskonzerne. Dort geht es NUR um Verkaufszahlen, nicht um die Menschen, die dorthin reisen und schon gar um jene, die man dort besucht. Vielleicht sollte der eine oder andere einmal darüber nachdenken, bevor er/sie das nächste Mal eine Reise bucht.

Halong2

Halong-Bay in Vietnam

Ich werde in diesem Jahr wieder unterwegs sein und weiterhin Bilder dieser Welt zeigen – von Menschen, von Landschaften, von Himmeln mit und manchmal auch ohne Wolken und von Stimmungen und Erlebnissen. Ich wünsche meinen lieben LeserInnen viel Vergnügen dabei.

lisboa-mon-amour

Im Stau bei Regen: Lissabons Nr. 28

 






Deine Meinung?









Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.Benötigte Felder sind markiert *

*