Donnerstag , 1 Mai 2025
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Das Gold von Lappland: Von einer Reise durch das schwedische Västerbotten


Wenn die Tage kürzer werden und die Wälder in bunte Farben tauchen, dann kann man im Norden Schwedens Außergewöhnliches erleben

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Indian Summer in Ammarnäs

„In Ammarnäs ist die Straße zu Ende“, sagt Urban Berglund. „Man kommt hier her, um die Natur zu spüren und sie einzuatmen.“ Berglund ist einer der rund 90 Ammarnäser. Ammarnäs liegt in der Komune von Sörsele, in der Provinz Västerbotten, Region Lappland, einen Grad südlich des Polarkreises in Mitten des Vindelfjällen Naturreservats.

Wenn Urban erzählt, kann man sein Glänzen in den Augen sehen. Es ist diese unvergleichbare Landschaft, diese unberührte Natur, die ihn nach Jahren wieder zurück in seine Heimat gebracht haben. Heute betreibt er ein kleines Besucherzentrum, fährt mit Gästen eine Stunde lang über den holprigen Traktorweg zum Bertejaure-Bergsee, der zur Hälfte ihm gehört. „Der See war immer ein gutes Angelwasser. Großvater Engelbert war der erste Guide für englische Fliegenfischer in den 1930er Jahren. Mein Vater begann in den 1960er-Jahren erstmals einfache Hütten zu errichten und sie zu vermieten.“ 1988 kam der Traktorweg zum Bootshaus am Bergsee hinzu. „Beim Bootshaus am See kann man auch übernachten“, erzählt er. Diesmal sind wir nur als Tagesgäste gekommen. Es gibt geräucherten Saibling, getrocknetes Rentierfleisch und lokalen Käse. Dazu trinken wir Bier.

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Geschichtenerzähler Urban Berglund

Urban Berglund ist auch Geschichtenerzähler – etwa darüber wie der Ryp Josef, ein Bauer der Gegend – 1868 seine Gemeinde vor dem Hungertod rettete, indem er einen Handel mit den Bewohnern der norwegischen Stadt Mo-I Rana begann. „Bezahlt hat er mit Schneehühnern“, erzählt er. „Diese Handelsbeziehungen haben über 40 Jahre lang gedauert.“ Dann berichtet er, dass er in einem Krankenhaus gearbeitet hat und an seiner Brust ein Namensschild trug, wo unter seinem Namen stand: „Besitzer eines Bauernhofs“. Die Patienten haben ihn darauf angesprochen und so ist er mit vielen Menschen ins Gespräch gekommen und hat von seinem See und Ammarnäs erzählt.

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Bertejaure

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Sunset am Bertejaure

Am Bertejaure-See erfüllt sich das Klischee des hohen Nordens: Die Faszination der Einsamkeit, das kristallklare Wasser und der scheinbar unendlich weite Himmel auf dem bizarr-geformte Wolken kleben, die mit der Spiegelung im See ein abstraktes Bild ergeben. Sonne und Wolken zaubern eine spannende Kulisse. Im Herbst, wenn die Abende kühl sind, erscheint der Horizont noch viel klarer und deutlicher.

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Ein Kartoffelberg und viele Rentiere

Ammarnäs ist weit über die Grenzen hinaus für seinen Kartoffelberg – dem Potatisbacken – bekannt. An der Südseite des kleinen aber steil aufragenden Hügels wird eine spezielle Art kälteresistenter Erdäpfel angebaut, die zu Rentier-Gerichten sehr gut passen. Die Rentiere spielen hier im Norden eine große Rolle. Die Zucht der domestizierten Herdentiere ist ein Privileg der Samen. Wie eng die Sami mit den Rentieren verbunden sind, zeigt sich in ihrem traditionellen Kalender, der acht Jahreszeiten kennt, die auf die jeweiligen Jahreszyklen der Tiere abgestellt sind. Dass die Sami stolz auf ihre Rentiere sind, kann man auch am kleinen Friedhof von Ammarnäs sehen, denn auf vielen Grabsteinen ist der Beruf „Rentier-Hirte“ vermerkt. Am Nachmittag haben wir das Glück die Sami, die hier in der Umgebung leben, bei der einmal jährlich stattfindenden Rentier-Schlachtung, die immer im September – vor dem ersten Schneefall – stattfindet, zuzusehen. Dazu werden die Tiere auf einem großen Feld abseits des Dorfes zusammengetrieben. „Es geht darum, dass wir unsere Herde auf Maß halten und auf den Winter vorbereiten“, erzählt einer der Hirten. Dazu müssen einige der Bullen, aber auch schwächere Tiere geschlachtet werden. Damit die Hirten ihre Tiere auseinanderhalten können, tragen sie am Ohr Farbmarkierungen. Für Mitteleuropäer, die in sterilen Supermärkten blutloses Fleisch kaufen, ist dieses Spektakel, bei dem die Tiere mit dem Messer getötet werden und große Mengen Blut fließt, ungewohnt. Beim Schlacht-Fest ist die ganze Familie anwesend – auch die kleinen Kinder. Verwertet wird von Tieren nahezu alles. „Allerdings dürfen auch wir das Fleisch, das hier am Feld geschlachtet wird, nicht verkaufen, sondern nur für uns selbst verwenden. So schreibt es das Gesetz vor“, erzählt der junge Sami. Am Abend gibt es Rentier-Steak. Einer unter uns verweigert das Fleisch. Die Schlachtszenen in Erinnerung ließen ihn ersatzweise den Salat wählen.

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Rentiertrieb

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Gallejaur: Ein See im Natur- und Kulturschutzgebiet

Wenn man in Gallejaur einen Stopp macht, scheint es, als wäre die Zeit stehengeblieben“, sagt Krister Lövgren. Gallejaur ist eines der wenigen Kultur- und Naturreservate Schwedens. Idyllisch an einem See liegt das Haufendorf, das im 18. Jahrhundert rund 70 Kilometer südlich von Arvidsjaur gelegen, gegründet wurde. „Rund 54 Menschen lebten hier einst“, erzählt der 61-jährige Künstler, der hier geboren wurde, mit 15 Jahren wegzog und vor 13 Jahren wieder in seine Heimat zurückkehrte.

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Krister Lövgren

 

„Die Landschaft mit dem See und dem üppigen Wald habe ihm gefehlt. Heute betreibt er eine kleine Pension, in der man sich wieder in jene Zeit zurückversetzen kann, in der mehrere Menschen hier wohnten. Und er erzählt über die Geschichte des lebenden Museumsdorfes, über die drei Frauen, die zuletzt hier in einem kleinen Holzhäuschen wohnten und deren Wohnstätte seit dem Tod der letzten in den 70-er Jahren nicht verändert wurde. Die Bauern, die hier lebten, züchteten Tiere – Hühner, Ziegen, Schafe und Kühe, sie jagten im Wald und sammelten Pilze und Beeren. „Heute noch ist der Wald dessen Baumbestand bis zu 500 Jahre alt ist, ein Habitat für viele, zum Teil sehr seltene Tiere“, erzählt er. Luchse leben hier, auch Braunbären und mehr als 150 Vogelarten. Die Gehöfte bestanden aus vielen Gebäuden – Wohnhäusern, Backhäusern, Ställen, Schuppen und einfachen Kellerhäusern, die dazu dienten, Lebensmittel über die kalte Jahreszeit zu bringen. Schwer sei das Leben gewesen, erzählt er. Erst mit der Stromversorgung, die es seit den späten 1940er-Jahren gab, wurde das Leben für die Einsiedler etwas einfacher. Ehe es im modernen Gästehaus ein warmes Rentier-Gulasch mit Kartoffelpüree gibt, verschwindet die Sonne in einem theatralischen Abgang hinter dem Wald am anderen Ufer.

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Spektakulärer Sonnenuntergang am Gallejaur-See

Als wird nach dem Essen in unsere Hütten gehen, zeigt sich der Nachthimmel mit Myriaden von Sternen und einer weithin erkennbaren Milchstraße. Kein Wunder, Lichtverschmutzung gibt es hier nicht. Als ich am folgenden Morgen Krister Lövgren von meinen nächtlichen Erlebnissen berichte, lächelt er und es scheint als gebe er zu verstehen: „Das ist einer der Gründe, warum wir hier leben.“

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Morning Moods in Gallejaur

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Gallejaur See am Vormittag

 

Ein Huskiezüchter, Gourmetkoch und ein Schlitten mit Rädern

„Hike und Wow, diese zwei Worte solltet ihr euch merken“, sagt Donald Eriksson. Eigentlich sind es vier Worte, die wir uns merken sollten. ‚Gee’ und ‚Haw’ sind die beiden anderen. All das sind Kurzbefehle an die Huskies, die nicht nur Schlitten mit Kufen, sondern auch welche mit Rädern dran, durch die Wildnis ziehen. Der Kurzbefehl „Hike“ heißt „Los geht’s“. Und das ist das, worauf diese Hunde mit unfassbarer Begeisterung warten. „Wow“ bedeutet Stopp, „Gee“ heißt rechts und „Haw“ links. Sind die Hunde einmal vorgespannt, dann bekommt das Unterfangen eine für verweichlichte Großstädter ziemlich gewöhnungsbedürftige Dynamik. Die Passagiere in den Schlitten fallen nach hinten und der Steuermann muss vorsichtshalber immer auf der Bremse stehen, denn die Hunde geben Vollgas. „Sie brauchen den Auslauf. Ihr Bewegungsdrang ist gewaltig“, erklärt der gelernte Chefkoch, der uns zuvor in seinem Grill-Kota leckeres Ragout mit Nudeln, Pilzen und Elchfleisch serviert hat.

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Donald Eriksson, Hundezüchter und Gourmetkoch

„Wenn man einen solchen Hund als Haustier hält, ist das so als würde man einen Formel-1-Rennwagen in der Stadt fahren“, meint er. Die Instruktionen über den Umgang der Hunde erteilt er übrigens im Kota, denn als wir den Zwinger betreten, beginnen die Hunde so lautstark zu bellen, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht. Gottseidank haben wir vorher erfahren, dass das Gebell keineswegs böse gemeint ist, sondern sich die Tiere nur extrem auf uns freuen. Insgesamt leben 60 Huskies am Hof. Die Hunde waren eigentlich nur sein Hobby gewesen, erzählt Eriksson stolz als er uns seinen jüngsten Nachwuchs präsentiert. Doch die Faszination für die Natur waren dann ausschlaggebend dafür gewesen, den Beruf zu wechseln. In Ekorrsele – eine knappe Autostunde nordwestlich von Umeå – hat er mit seiner Frau Maria das Unternehmen „Aurora Borealis“ gegründet. Während der Sommermonate herrscht hier ziemlicher Andrang, erzählt er. Doch die schönste Zeit sei auch für ihn der Spätsommer und Frühherbst mit dem klaren Licht.

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Die Schönheiten des Nordens erkunden

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Indian Summer am Vindelfjällen

Die Saison im hohen Norden Schwedens ist kurz, denn mit Ende August sind die meisten Gäste wieder abgereist. Doch gerade der Frühherbst mit dem weichen Licht macht das Naturerlebnis zu etwas Außergewöhnlichem. Dazu kommen noch die Früchte des Waldes – wie Beeren und Pilze, die zu dieser Jahreszeit aus dem Boden sprießen. „Außerdem gibt es natürlich die Chance Nordlicht zu sehen“, meint Karin Fällman von Gold of Lapland, einer Vereinigung von 90 Tourismusunternehmen der Region. Dadurch, dass die Entfernungen zwischen den einzelnen Highlights größer sind, empfiehlt sich eine präzise Planung. Lappland bietet wirklich für jeden Geschmack etwas Passendes – ganz egal welche Aktivitäten man bevorzugt. Auch wenn die Nächte hier im Norden kühl sein mögen, so kann man das von den Menschen hier nicht behaupten, denn das Abschiednehmen fällt sehr schwer. Die Schönheit dieser einzigartigen Natur und die natürliche Freundlichkeit der Bewohner lassen den Wunsch zurück, auch im kommenden Herbst wieder zurückzukommen.

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Vindelfjällen Fluss

Weitere Informationen:      

Gold of Lapland ist eine Vereinigung touristischer Unternehmen im hohen Norden Schwedens. Da hier die Entfernungen groß sind und es nicht so viele Unterkünfte gibt, ist es ratsam, über diese Organisation zu buchen. Darüberhinaus bietet die Homepage erstklassige Informationen über diese Region und ihre Highlights. Für Couch-Potatoes ist der hohe Norden nicht geeignet, denn die Sensation ist und bleibt die grandiose Natur. Der späte Sommer – Ende August bis Mitte September – ist die schönste Jahreszeit. Weitere Informationen bietet auch  Visit Sweden

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 VisitSweden

 

 

 






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