Donnerstag , 12 Dezember 2024
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Schwedens kleines Italien – Insel Gotland: Eiscreme-Dorado und Pippi Langstrumpfs Villa Kunterbunt


Wer würde je glauben, dass Schweden so nahe an Italien liegt? Wer einmal in Gotland war, weiß jedoch, dass dort nicht nur die Uhren langsamer ticken, sondern dass in der UNESCO-Weltkulturerbestadt Visby auch einer der größten Eissalons steht. Ganze 183 Sorten bietet das Glassmagasinet an. Dass man hier im Süden Schwedens wirklich eisfanatisch ist, zeigt sich daran, dass gleich in der Tür nebenan eine weitere Rieseneisdiele steht. Zu den Topsorten zählt übrigens die Geschmackskomposition Safran-Honig – weil beide Grundprodukte auf der Insel hergestellt werden – und darauf ist man mächtig stolz.

Gotlands Charme fängt jeden ein – und das dauert in der Regel nicht sehr lange. Die sympathische Reiseleiterin Verena Harbort etwa, eine gebürtige Deutsche, die mit ihrem Mann eigentlich nach Chile auswandern wollte, ist ein gutes Beispiel. Ein Aufenthalt in Gotland hat ihre Auswanderungspläne stark verändert. „Wir sind hier geblieben, weil die Menschen nett sind, die Umwelt intakt ist und es uns hier ganz einfach extrem gut gefällt.“ Die Umstellung auf einer Insel leben zu müssen sei anfangs zwar schwierig gewesen, denn man wurde von den Nachbarn zunächst genau beobachtet, ehe man Tür, Tor und Herz öffnete. „Da hier jeder jeden kennt, ist gutes Benehmen angesagt“, meint sie lächelnd.

Eine ganz ähnliche Meinung vertritt der schwedische Krimiautor Håkan Nesser, der es auf den Punkt bringt: „Es ist einfach gottvoll hier“. Das fand übrigens auch der Regisseur Ingmar Bergman, der eigentlich einen Film auf den Falkland-Inseln drehen wollte. Die Filmproduktionsfirma lehnte den Vorschlag aus Kostengründen ab und empfahl stattdessen die abgeschiedenen kleine Insel Fånö – nur einen Steinwurf von Gotland entfernt. Das war in den 1960er Jahren. Bergmann liebte die Abgeschiedenheit Fånös, kaufte sich mehrere Häuser und verbrachte einen Großteil seines Lebens hier. Heute befindet sich in einem der Gebäudekomplexe des Regisseurs ein Film-Kulturzentrum http://bergmancenter.se

Die Liste der Prominenz, die die Abgeschiedenheit und Schönheit der mehr als 3.000 Quadratkilometer großen Ostsee-Insel – übrigens der größten Schwedens – genießt, ist ziemlich lang. Aber darüber schweigt man hier, denn man läßt jedem seine himmlische Ruhe.

Villa Kunterbunt von Pipi Langstrumpf

Villa Kunterbunt von Pipi Langstrumpf

Das Beste aus der Natur
Ein typisches Klischee könnte man meinen, wenn ein solcher Slogan fällt. Doch wer sich auf die lukullischen Köstlichkeiten Gotlands einläßt, wird nicht enttäuscht. Zunächst stehen den rund 57.000 Einwohnern mehr als 70.000 Schafe gegenüber – und diese kann man, wie Küchenchef Bo Nilsson vom Donners Brunn Restaurant http://www.donnersbrunn.se mit einer Sauce aus Zimt, Knoblauch und Rotwein zubereiten. Übrigens züchtet man am Bauernhof Ejmunds eine Rindersorte, deren Fleischqualität sehr nahe an edle Sorten herankommt, weswegen es den Rufnamen „Kobe Gotlands“ trägt. Im November gibt es schwarze Trüffel, im Herbst frischen Safran und im Frühling frischen Spargel. Käse liefern Patrik und Inger von Corswant von ihrem Hof Stafva http://www.stafva.se in Barlingbo. Mittlerweile ist die Qualität dieses Käses in ganz Schweden bekannt und der Chef, der auch Safran und Trüffel züchtet, erzählt gerne von seinen Erfahrungen. Weil der kulinarische Höhenflug Gotlands zu einem Markenzeichen geworden ist, wurde der Verband „Culinary Gotland“ http://kulinariskagotland.se ins Leben gerufen, dem mittlerweile die acht besten Restaurants der Insel angehören.

Eine Mikrobrauerei macht Karriere
Bierkultur hat einen großen Wandel erfahren, erzählt Bo Nilsson. Und er empfiehlt einen kurzen Besuch in der Brauerei Gotlands Bryggeri http://www.gotlandsbryggeri.se . Dort empfängt einen Erik Bröström, der seit einigen Jahren in Sachen Öffentlichkeitsarbeit tätig ist und der als erstes erklärt, dass man hier ausschließlich nach dem deutschen Reinheitsgebot braut. Neben den herkömmlichen Wisby Pils und einem Weizenbier, dessen Erfolg im Vorjahr bahnbrechend war, setzt man unter anderem auf die Marke Bulldog. Der Name bezieht sich auf eine südafrikanische Bulldogge, die einst im Besitz des Braumeisters war und die dem Gerstensaft schwer zugetan war. Das Tier ist heute Geschichte, aber der Name blieb. „Sitting Bulldog“, „Sleepy Bulldog“, „Frosty Bulldog“ und „Brutal Bulldog“ sind heute in aller Munde und mittlerweile auch weit über die Grenzen der Insel hinaus bekannt. In zwei Jahren soll die Brauerei eine neue Location im Hafen von Visby beziehen. Denn der Großteil der Gäste kommt immer noch mit dem Schiff – und mittlerweile ist Visby auch Anlegehafen für so manche Ostseekreuzfahrt.

Visby: Eine alte Hansestadt stellt sich vor
Visby ist ein lebendiges Museum – in kaum einer Stadt sind Mittelalter und Neuzeit derart eng miteinander verwoben wie hier. Die mehr als dreieinhalb Kilometer lange Befestigungsanlage um den historischen Stadtkern gehört zu den besterhaltensten Stadtmauern Nordeuropas. 1995 wurde die Hauptstadt der Insel zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben. „Wer sich die alten Pippi Langstrumpf-Filme ansieht, wird erkennen, dass ein Großteil der Aufnahmen im Stadtzentrum von Visby gedreht wurden“, erklärt Daniel Eriksson von Inspiration Gotland. Die legendäre Villekulla – oder Villa Kunterbunt, wie sie auf Deutsch heißt – stand direkt vor den Toren der Stadt, wurde allerdings in den 1980er Jahren an eine andere Stelle transportiert. „Sie steht heute im Kneippbyn Freizeitpark http://www.kneippbyn.se und ist die Sensation für die jungen Besucher.“ Während der Sommermonate finden im Park auch regelmäßig Pippi-Langstrumpf-Shows für Kinder statt. Astrid Lindgrens Kultfigur verzaubert jedenfalls noch heute die Menschen – ganz egal ob jung oder alt.

Urlaub hinter schwedischen Gardinen
Visby ist aber auch noch für eine andere Sensation bekannt: Wer in der Jugendherberge Unterkunft bezieht, schläft dort, wo einst die Bösen der Insel einsaßen. Die Herberge ist nämlich im ehemaligen Gefängnis http://visbyfangelse.se untergebracht. Dass man hier hinter schwedischen Gardinen übernachtet, wird einem spätestens dann klar, wenn man morgens die Vorhänge wegzieht und schwere Eisengitter den Blick zum Hafen trüben. Das Gebäude, das von außen auch aufgrund der Wachtürme auffällt, steht übrigens wie fast alle historische Gebäude unter Denkmalschutz.

Es gibt übrigens einen weiteren Grund, warum man Gotland als Italien Schwedens bezeichnet: Die Uhren ticken hier einfach langsamer. Das merkt man am gemütlichen Lebensstil und dem gemächlichen Ablauf des täglichen Lebens. Die Großstädter, die hier kommen, müssen zunächst lernen, einen, oder vielleicht sogar zwei, Gänge nach unten zu schalten. Und nicht nur in Visbys Altstadt scheint irgendwie die Zeit stehen geblieben zu sein, sondern auch anderswo auf der Insel. Alles geht in einem natürlich langsamen Tempo. Für den Besucher eröffnen sich bei einer Fahrt über das Eiland zudem viele verborgene Schätze – etwa die kleinen Kirchlein, die in diese liebliche Landschaft eingebettet sind, oder die spektakuläre Steilküste im Nordwesten. Es ist kein Wunder, warum Künstler diesen Flecken Erde als Heimstätte ausgesucht haben. Der Abschied fiel jedenfalls schwer.

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Ein Kommentar

  1. Möchte auch so gern nach Schweden, danke für den tollen Artikel, das sind sehr schöne Bilder.

    Lg Imelda

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